Dachstein

Martin Amanshauser

2013

Wenn das so ist, dann Prost!
Jagatee, Haflinger und Rodelfreuden im Lammertal bei Dachsein-West

Klaus Maria Brandauer ist heute auch bei der Harreit-Resi. Oder zumindest einer, der dem Schauspieler sehr ähnlich sieht. Wahrscheinlich ist er es doch nicht, denn er singt zu den Melodien des Ziehharmonikamanns und gebärdet sich auch sonst wie ein Einheimischer. „Ja, wann des so is, ja wann des so is, ja wann des so is – dann Prost!“ Der Ziehharmonikamann selbst ist schon total bedient. Er ist offensichtlich kein Mann der Stimme, aber spielen kann er noch. So helfen sie alle zusammen, damit durch die beiden Gaststuben ein Alpensound rauscht, den kein Regionalsender wiedergeben kann: echt, erdig, original. Denn bei der Harreit-Resi ist alles original.
Und dann serviert die Resi der Jagatee. Faustregel: „Einer ist wunderbar, zwei sind annehmbar, ab drei wird es kritisch.“ Die Resi spart nicht mit dem Schnaps, der die Basis für ihr Warmgetränk bildet. Und sonst? Das Rezept bleibt Top Secret, die Resi ist schon durch halb Europa gereist und hat ihren Jagatee ausgeschenkt – sie bereitet ihn frisch zu – aber keiner erfährt von ihr, wie sie ihn genau herstellt.
Das kann nicht mitten in einem großen Skigebiet mit hohem Germknödelfaktor sein? Doch, die Resi residiert auf der letzten Abfahrt nach Annaberg, in der Skiregion Dachstein-West, die mit dem dümmlichen Spruch „Gaudi pur – auf und neben der Spur“ wirbt. Wenn man dann in Dachstein-West ist, genau genommen im Salzburger Tennengau vergisst man das notorische PR-Repertoire der Siebzigerjahre ganz leicht, denn dann entfaltet sich das vielleicht netteste mittelgroße Skigebiete des Landes (140 Pistenkilometer), welches besagtes Annaberg (mit Lungötz, dem Herkunftsort des aktuellen Slalomstars Marcel Hirscher), Gosau und Russbach zusammenbringt. Letzterer Ort bietet an Sonnentagen zwei perfekte Südhänge, und auf der Fahrt in Richtung Annaberg findet man auf die „Wilde Hilde“, keine Einkehrhütte, sondern ihres Zeichen die netteste „schwarze“ Piste in einer ansonsten mildhängigen Umgebung – dazu die Marcel-Hirscher-Rennstrecke mit Zeitnehmung, neben einer Snowcrossanlage, diversen Buckelpisten und Wellenbahnen, und allen möglichen Features, die von der alpinen Fun-Gesellschaft heutzutage eingefordert werden.
Ruhiger geht es abseits der Pistenwelt zu: Das Winterstellgut liegt auf dem Bergweg ins Lammertal. Auf diesem Plateau existierte seit dem 16. Jahrhundert ein „Winterstöll“ mit einem Gestüt. Auf 1.000 Höhenmetern mit Blick auf die Bischofsmütze gibt es heute Haubenküche, Suitenhotelerie, eine Schnapsbrennerei, einem Weinkeller, in dem aus irgendeinem Grund Trauungen vorgenommen werden, und eine moderne Haflingerzucht, das Gestüt Hochreit. Alles im Geist des exquisiten Understatements. Weil das ganze Ding zum Imperium Mateschitz gehört, betreibt man auch einen Hubschauberlandeplatz.
Auf der anderen Seite: Abtenau, ein ehemaliges Bauerndorf, das seine Urromantik zwar eingebüßt hat, aber zu einem seriösen Skisportnest geworden ist, etwas abseits von Dachstein-West, mit einem eigenen lokalen Kleinskigebiet, in dem alles ein bisschen anders ist. Pferdekutschen fahren durch die Straßen, und der schattige Stadtteil Au kann mit Schneeschuhen bewandert werden. Dann gibt es noch eine Spezialität, die Karkogelbahn, bei der abwechselnd eine Gondel und ein Sechsersessel nach oben geschickt werden. Der Sessellift bedient die Alpinmenschen, die Gondel jene Familien (und auch jene privaten Tempobolzer), die sich mit Schlitten (oder eben Rennrodeln) auf den Gipfel transportieren lassen. Dort oben beginnt eine 3 Kilometer lange Winterrodelbahn – nicht zu steil, aber auch ohne Gehstrecken – die jedem empfohlen sei, der nicht zu Rückenschmerzen neigt. Aber wenn das so ist, wenn das doch so ist? Dann Prost!
Was ist eigentlich inzwischen bei der Resi los, auf der letzten Originalhütte? Da hat die Ziehharmonika fertiggespielt, die Jagateetassen sind leer, die übriggebliebenen Gäste schnallen die Ski und Snowboards an und fahren in der Dämmerung den Hang zur Talstation Annaberg hinunter. „Pfau, das wackelt! Diese Hütte ist tödlich!“ Das sagt kein Tourist, sondern ein Tennengauer, der Mann, der Klaus-Maria Brandauer so ähnelt, auf dem Weg von der Resi nach Hause.

Alpine Wellness-Hotel Moisl, Familie Leo & Veronika Moisl, Markt 26, 5441 Abtenau, +43/6243/2232-0, www.hotelmoisl.at

Winterstellgut, Gasthaus und Zimmer, Braunötzhof 4, 5524 Annaberg, tgl außer Mo und Di, +43/6463/60078-10, www.winterstellgut.at, Pferde unter www.haflingerzucht-hochreit.at

Jausenstation Harreit, im Skigebiet über Annaberg, 5524 Annaberg-Lungötz.

Info: Gästeservice Tennengau, Dachstein-West Lammertal, Mauttorpromenade 8, 5400 Hallein, +43/70050, www.tennengau.com, www.dachstein.at, www.dachsteinwest.info