Fußball EM 2004 – Portugal

„Der Standard“, 4. Juni 2004


8:0 gegen die Wüstensöhne

Ebenso wie bei Griechenlands Olympischen Spielen kursierten von Beginn an Zweifel, ob Portugal eine Fußball-EM zustande kriegen würde – ganz zu Unrecht. Seit die Bilder der zehn hübschen Spielstätten um die Welt gingen, halten Skeptiker den Mund. Das „Estádio da Luz“ von Benfica, wurde ebenso wie die Heimstätten von Sporting und Boavista auf Hochglanz renoviert, während man neben dem alten „Estádio das Antas“ von Champions-League-Sieger FC Porto – nach Abriss eines halben Stadtviertels – ein gigantisches Bauwerk aus dem Boden stampfte: die Stahl- und Glasdacharena „Dragão“ („Drache“). Außerdem wurde die „neue“ Metro, ein Projekt aus der Zeit Portos als Europäische Kulturhaupstadt (2001) – im Volksmund schon als „Centi-Metro“ verhöhnt – endlich eröffnet!

Auch kleinere Städte profilieren sich: Aveiros Arena ist überraschend bunt, die von Coimbra postmodern-palastartig, die von Braga solid-steinern. Das Algarve-Stadion bei Faro imitiert „die Welle“, und das Städtchen Guimarães hat seinem romantischen Schlossgarten-Stadion neues Leben eingehaucht. Besonderen Grund zur Freude gab es jedoch zur Eröffnung des im Stil einer Achterbahn gehaltenen „Municipal Magalhães Pessoa“ von Leiria. Portugal lud – etwas bösartig – den Jausengegner Kuwait zum Freundschaftsspiel ein und putzte die Wüstensöhne 8:0 weg. Pauleta (4 Tore), Nuno Gomes (3) und Luís Figo zeigten, was geschieht, wenn die in die Jahre gekommene „Goldene Generation“ tanzt.

Ungeachtet dessen geriet der brasilianische Portugal-Nationaltrainer Felipe Scolari in den letzten Wochen in Bedrängnis. Nach einer Serie von Unresultaten in der Vorbereitung gaben einige Verbandsfunktionäre latenten Vorurteilen gegen einen nicht-portugiesischen Trainer Ausdruck – und die Volksseele brodelte. Überdies sorgten die in Portugal traditionell mächtigen Sportblätter am 1. April mit Scherz-Schlagzeilen über Scolaris Rücktritt für Verwirrung.

Was noch mehr überraschte: Die ganz großen Bauskandale blieben bislang aus. Zaghaft und leise behandelt man hingegen vor der Eröffnung des großen Fests ein anderes Problem: den jüngst aufgeflogenen Bestechungsskandal „Goldene Pfeife“ rund um gekaufte Schiedsrichter, vor allem bei Spielen des Drittligisten Gondomar. Ligapräsident und Leiter der Schiedsrichter-Komminssion sind mittlerweile wieder auf Kaution frei. Es wird jedoch nicht bei 16 Verhaftungen bleiben, denn man munkelt, auch die oberste Spielklasse sei betroffen. Doch die Medien folgen – noch – dem Machtwort von Luís Figo („Die EM hat damit nichts zu tun“). Abgerechnet wird unter Umständen dann, wenn die „Goldene Generation“ das einzige Kunststück nicht schafft, das alle Portugiesen von ihr verlangen: den EM-Titel.