Kaltenbach Tirol

2014

Ufos in Nordtirol

Zwei Hütten mit speziellen Stärken machen das Zillertal einzigartig

 

Über das Zillertal heißt es in einer Volkswaise, „da gibt´s Gamslang zum derjag´n / schene Diandlang zu der derfrag´n“, aber wer knapp vor Betriebsschluss die Gondelbahn in Hochzillertal/Kaltenbach zur Mittelstation nimmt und von dort aus mit einem Pistenbully zur Wedelhütte gefahren wird (30 Minuten), der möchte hinzufügen, dass es auch UFOs zum derseh´n gibt. Denn aus der Dunkelheit taucht in einer Mulde plötzlich ein zweiter Pistenbully auf. Er blinkt und macht Lichtzeichen, steht da, als hätte ihn das Weltall ausgespuckt: eine unheimliche Klingonenspinne mit ungewissen Absichten. Bereit zur Attacke? Der Effekt verstärkt sich, wenn man Manni, der den Pistenbully lenkt, fragt, ob er den Fahrer des anderen Objekts kennt, und dieser ganz beiläufig antwortet: „Keine Ahnung, wer des ist!“ Zum Glück attackieren die Klingonen dann doch nicht und geben den Weg frei zur Luxushütte auf 2.350 Meter – und die ist dann erst das wirkliche Ufo.
Die Präsidentensuite hat ein Whirlpool auf dem Balkon, beim Frühstück ist frisch gepresster Karotten-Apfelsaft möglich, die Abendküche bietet Kalbfleisch in einem Zartheitsgrad, als wäre man nicht irgendwo zwischen Tal und Himmel, sondern auf einem Bio-Bauernhof – kurz gesagt, die vulgäre Germknödelwelt von anno dazumal ist ausgeblendet. Dabei hat die Wedelhütte ein Lokal mit 200 Innen- und 600 Außenplätzen, und die werden durchaus frequentiert. Wie durch ein Wunder leert sich der eben noch vollbesetzte Schuppen innerhalb einer blauen Nachmittagstunde. Ab halb fünf ist der glückliche Hüttenschläfer fast alleine, kann sich dem zweistöckigen Weinkeller im Felsen zuwenden, in einer Umgebung von hellem Holz, nackten Hirschenschädeln und witziger Kunst, die augenzwinkernd die Alm- und Gamswelt illustriert.
Die Logistik einer solchen Hochalpenhütte beeindruckt. „Du solltest am Freitag sehen, was wir an Milch herauftransportieren, 300 bis 400 Liter, und am Montag kommt noch einmal halb soviel“, sagt Manni, der Bullyfahrer, der sich als Manfred Kleiner, seines Zeichens Chef der Hütte entpuppt, und macht dabei ein recht zufriedenes Gesicht. „Ich muss schon vorausplanen, weil hier oben kann ich nicht einfach in den Supermarkt gehen, wenn mir plötzlich das Öl oder die Butter ausgeht.“
Ein paar Gipfel weiter fliegt ein anderes Ufo auf 2.147 Metern herum: es heißt Kristallhütte. Legt ebenso Wert auf Exklusivität, allerdings auf ziemlich liefstylige, Restaurant mit Showküche, Suiten und Alpine-Lodge, Lounge- und Chillmusik, Wasserbetten, Kuschelecken und ein Panorama-Liegebereich. Vom Design her ist die Kristallhütte eine Mischung aus Szenetreff und Top-End-Hotel. Selbst die Agentur des Speisekarten-Folders lässt sich vom romantischen Setting mitreißen: „Noch einen Aperitif vor dem Abendessen an der Bar. 5 Gänge, eine Flasche Wein und ein Schnapsl, später sagt sie dir, dass sie dich liebt und sie küsst dich!“
Wen das überfordert, der kann auch einfach skifahren gehen. Zwischen den beiden Hütten erstreckt sich eines der professionellsten Skigebiete. Eine Mixtur aus Kunst- und Naturschnee lässt die Saison früh beginnen, denn aus Kaltenbach stammen die raffiniertesten Pisten-Präparateure der Welt, verantwortlich unter anderem für die acht Kilometer lange Stephan-Eberharter-Goldpiste, nach dem Ex-Rennfahrer aus Stumm im Zillertal benannt. Niemand kann ganz konkret sagen, was er eigentlich heute treibt, aber er ist bei jedem beliebt. Wem das vielfältige Kaltenbach zu lieblich sein sollte, kann nahe der Wedelhütte nach Hochfügen abbiegen, wo schwarze Pisten ebenso zu finden sind wie knietiefe Freeride-Areas aller Schwierigkeitsgrade.
Am Ende trifft man sich in der Firnhütte, etwas abseits gelegen, aber einen Abstecher wert. Erst im Sommer 2012 wurde sie neben der Schirmbar beim Neuhüttenlift aus unbehandeltem Fichten-Altholz neu errichtet. Ihre Betreiberin, Katharina Daum, setzt auf Bewirtung aus der Region. Aus dem mild-säuerlichen Zillertaler Graukäse, einst ein Arme-Leute-Essen, heute wegen seinem 0% Fett und hohem Eiweißgehalt voll im Trend, werden Graukasnockerl gezaubert. Fleisch und Wurst bezieht sie von der Metzgerei Gasser in Mayrhofen, daraus entsteht das Rinderrückensteak auf heißem Lavastein. Kein Touri-Schmäh: die Einrichtung ist naturgelassen, unbehandelt, unlackiert, gekocht und geheizt wird mit Holz. Die Firnhütte steht für eine echte, originale Gegend mit einem fest entschlossenen Menschenschlag,, nicht immer lieblich, gelegentlich allzu rau.
Die Gamslang, die es einst zu erjagen galt, weisen ja auf die aufregende Geschichte des Zillertals hin, eine von Wilderern und Schmugglern, und einst auch eine der Armut. Berühmt wurden die Tölderer, Talbewohner, die ins Inntal und in die weite Welt zogen, als Öltrager, Handschuhhändler und fahrenden Apothekern, die mit ihren Tinkturen, Arzneien und Salben bis nach Holland Erfolg hatten. Eine andere typische Geschichte ist jene der „Zillertaler Inklinanten“, den geheimprotestantischen Tirolern Augsburger Bekenntnis, die 1837 2ihr Heimattal verlassen mussten, da das Toleranzpatent in Tirol keine Wirkung hatte und die Habsburger Kaiser hart blieben – 427 von ihnen wanderten nach Niederschlesien aus und gründeten mit Hilfe des preußischen Königs im Riesengebirge die Kolonie „Zillerthal-Erdmannsdorf“. Friedrich Wilhelm III. ließ den armen Exulanten, die er ins Land holte, Tirolerhäuser nach vorgefertigten Mustern erbauen.

 

Skigebiet Hochzillertal, Kaltenbach und Hochfügen, von www.skiresort.dezwei Mal zum besten Skigebiet der Welt gekürt, www.ski-optimal.at, geöffnet bis Ende April, Schneetelefon +43-5283-2800-650; Besonderheit: eine „BMW Individual Gondel“, schwebende 7er Limousine mit zwei neureichen Lederfauteuils, Massagefunktion, Multimediasystem und Champagnerbewirtung, www.vipgondel.at
Kristallhütte, der Ort mit dem internationalen Flair. Chill-Out-Treffpunkt und Lifestyle-Lounges zum Übernachten, darunter acht Doppelzimmer mit Panoramablick in die unberührte Bergwelt und die neuen Alpine Lodge Suiten, das sind Maisonetten in der Größe von 50 Quadratmetern. Alles in hellem Holz, stilsicher-exquisit und kopenhagenmäßig angelegt, nur das Bad in Marmor, man könnte glatt vergessen, dass man sich im Land der Jodler befindet. Die Kristallhütte hat auch noch andere Besonderheiten, neben der Küche, die vom Traditionellen bis zum Jung-Kreativen alles drauf hat. die regionale Zutaten bevorzugt, läuft ein exzellent kuratierter DJ-Betrieb. Und auch an der nötigen Selbstironie fehlt es nicht – Udo Lindenberg stellt hier seine „Likörelle“ aus und die Homepage weist augenzwinkernd darauf hin, dass es die einzige Galerie Österreichs ist, die es wagt, diese „Machwerke“ (sic) öffentlich zu zeigen.
6272 Kaltenbach, Postfach 4, info@kristallhuette.at, www.kristallhuette.at
Wedelhütte, 5-Sterne-Komfort auf 2.350 Meter. Es handelt sich um das höchstgelegene Wirtshaus Tirols, und einen Stock drunter auch noch das höchstgelegene Weingewölbe, betreut von Diplomsommelier Thomas Tischer (und für Veranstaltungen buchbar). Neben dem fassfrischen Zillertal Bier bietet Christian Siegele und sein Team eine hochklassige, aber trotz der Höhe nicht abgehobene Küche. Die Wedelhütte ist ein „Heumilch Partnerbetrieb“ und unterstützt damit die lokalen Milchbauern. Die großartigen Suiten haben neben der gemütlichen Stube auch ein Whirlpool am verglasten Balkon mit einem Wunderblick in die Berge am Grat zwischen Kaltenbach und Hochfügen. Karottensaft zum Frühstück. Und über die gute Luft beschwert sich hier auch keiner.
6275 Stumm, Koflerweg 19, info@wedelhuette.at, www.wedelhuette.at
Firnhütte, origineller, moderner Ort zum Einkehren, am Nauhüttenlift, Kaltenbach.