Honkong – Macao

"Die Presse" 2007

Jause auf Südchinesisch

In Guangzhou, Hongkong und Macau wird heiß, rasch und gut gekocht.

Der Südchinese war dem Pekinger immer suspekt – vor allem auch wegen seines außergewöhnlichen, unhauptstädtischen Essens. „Die essen einfach alles“, rümpfen Nordchinesen die Nase, wenn von Kantons kulinarischen Ausschweifungen die Rede ist, und oft wird das berühmte Zitat strapaziert: „Die Kantonesen essen außer U-Booten alles was schwimmt, außer Flugzeugen alles was fliegt, außer Tischen alles was vier Beine hat.“

Das mag stimmen, denn die große Kantonesische Küche bietet nicht nur Schwein, Rind, Huhn und Meeresfrüchte, sondern ebenso Schlangen, Insekten, Würmer, Schnecken, aber auch Hühnerfüße oder Entenzungen. Die Provinz Guangdong, namentlich Guangzhou (Kanton) und Hongkong legt aber nicht nur Wert auf exaltierte Zutaten, in erster Linie geht es um die Frische. Hier nützt man die idealen landwirtschaftlichen Voraussetzungen ebenso wie die Nähe zu fischreichen Gewässern.

Sehr schnell anbraten – oder sehr langsam garen: Das ist die Devise. Neben dem Brutzeln bei hoher Temperatur sind die Kantonesen für Schmorsuppen bekannt, die bis zu zwei Tage auf dem Feuer köcheln. Beide Methoden entwickelten sich zuerst bei Großfamilien im ländlichen Raum, und sie formen bis heute den Stil der Garküchen, wie man sie etwa im weitläufigen Marktgebiet von Guangzhou oder in den Seitenstraßen von Hongkongs Nathan Road findet: bunte Essensstände, wo die Verkäufer Spieße, Fischbällchen oder Tofu in Frittieröl hängen. Man tunkt das auf den Silbertabletts am Tresen in Öl-Senfsauce. Im Imbissbereich des Temple Street Night Market liegen die frischen Meeresfrüchte bereits portioniert auf Tellern, man muss nur wählen, dann werden sie im Hintergrund gebraten.

Die Spezialität in Chinas Süden ist aber Dim Sum (ausgesprochen wie Dim Sam), ein Teil des „Yum Cha“, was soviel wie Teetrinken bedeutet. Die Dim Sum gelten als Höhepunkt eines gelungenen Yum Cha, kleine Spezialitäten, die zum Tee gereicht werden: eine Art südchinesische Jause. Knödeln, Teigtaschen, Bällchen oder Rollen in Bastkörben, die im Dampf erhitzt worden sind. Die Kantonesen lassen sich Türme von Bastkörben servieren. Im Idealfall werden die Spezialitäten auf Trolleys durch das Lokal gefahren, und die Besucher können sich die frischen Teig- und Knödelwaren direkt an den Tisch holen – bezahlt wird am Ausgang.

Einer der Orte für Dim Sum ist das dreistöckige Luk Yu Tea House im Zentraldistrikt von Hongkong Island. Aufmerksame und dennoch unservile Kellner schenken Tee nach, auf der Dim-Sum-Seite (nur untertags) gibt es gehackte Shrimps- und Bambussprossentäschchen oder Bittermelone mit Fisch gefüllt. Im Untergeschoss des Etablissements, das 1933 seine Tore öffnete, werden besondere Teesorten ausgeschenkt, wie etwa „Sui Sin“, ein Narzissentee, aber natürlich auch Jasmin- oder Oolongtee. Berührungsängste gibt es keine, und angenehmerweise auch wenig positive Diskriminierung für Touristen: Bei großem Betrieb in den Mittagsstunden ist es gut möglich, dass die Kellner einander unbekannte Ausländer wie in der Schule zusammensetzen.

Während das Herz der Kantonesischen Küche naturgemäß in Guangzhou schlägt – das chinesische Fondue aus Fleisch, Meeresfrüchten und Gemüse wird direkt auf den Tischen gekocht – nehmen die europäischen Einflüsse gegen die Küste hin zu: in den Ex-Stadtstaaten Hongkong und Macau fusioniert Europa mit China. Macau steht für Essensvielfalt. Oft ist der kulturelle Rückzug Portugals bestaunt und bedauert worden, aber auch wenn kaum ein Kantonese in Macau Portugiesisch spricht, in der Küche zeigen sich die Einflüsse weiterhin: einige Restaurants bieten Bacalhau oder Cozido à Portuguesa. Die Macauküche hat nicht nur kantonesisch-portugiesische, sondern auch Einflüsse aus Indien, Malaysia und Afrika. An der Rua Almirante Sérgio wird Angolanisches Grillhuhn mit Piri Piri serviert, ebenso wie Minchi (faschiertes Rind mit Zwiebeln und Ei, eine Art portugiesisches „Bitoque“), Galinha Portuguesa oder der chinesische Eintopf Tacho.

Im kleinen „Peking Dumplings“ im Stadtzentrum serviert der Chef, ein Mann aus Haidan, etwas völlig Exotisches: Teigtaschen aus der Hauptstadt. Denn die gibt es nur hier, und zu günstigen Preisen. Also drängen sich die jungen Einheimischen um Tische. Auf der Speisekarte wird die Avenida Almeida Ribeiro als „Almeida Rebdiro“ angegeben, Zeichen für die rein nominelle Wirkung des portugiesische Erbes. Die Teigtaschen werden mit einem Sojadrink serviert, dazu etwas Nudelwasser, Chinkiang Vinegar schwarz und rot, Sojasauce, und eine rätselhafte hellrosa Flüssigkeit, abgefüllt in einer Flasche „Hai Zhu Beer“: ein Saucenparadies.

Die Macau-Küche ist auch in Hongkong gut vertreten, allerdings monopolisiert von der Kette „Macau Restaurant“: Mischung aus In-Treff und Fastfoodladen, stilgerecht mit Azulejo-Architektur in heller Plastikmöblierung. Mehrere Sorten Bacalhau stehen ebenso auf der Speisekarte wie Croquetes oder die Gemüsebrühe Caldo Verde. Das alles schmeckt nicht ganz wie in Trás os Montes, aber das macht den Reiz aus. Das populärste Getränk heißt Tangerine Lemon Honey, heiß oder eiskalt in Blechbechern serviert. Das Pastel de Nata, Lissaboner Urgebäck aus Blätterteig und Puddingfüllung, brennheiß-cremig, läuft unter der Bezeichnung „Portuguese Tart“.

Der neustes Trend in Hongkong sind allerdings Designer Cakes. Ging man bisher von der Annahme aus, dass Ziertorten grauenhaft schmecken müssen, berichtet die „South China Morning Post“ von den boomenden Jungköchen, die sowohl die skurrilen Wünsche der Auftraggeber berücksichtigen als auch Qualitätsware anbieten. Yves Matthey im Mandarin Oriental Cake Shop baut seit 25 Jahren Torten (unter anderem) in Ferrariform: „Die Leute setzen auf den Wow-Faktor, sie haben jetzt Geld und wollen das zeigen.“ In den Motiven spiegeln sich Geschmäcker und Vorlieben: Rolexuhren oder Porsches werden gerne verlangt, Designerhandtaschen sind der neue Renner. Matthey war selbst verwundert über das Riesengedränge um seinen Cake Shop: „Du musst ein gewisses künstlerisches Talent haben“, erklärt er, „und ein Gespür für Größe, Dimensionen und Farben.“

Couture Cakes oder Designer Cakes folgen dem US-Trend nach immer individuelleren Torten. Cheekay Chow hat „Phoebe´s Designer Bakery“ auf Hongkong Island nach ihrem Hund benannt und kommt kaum mit den Bestellungen nach. Denn die Hongkonger haben begriffen, dass sie die Torten mitgestalten können. Sally Krantz von „Saffron Cakes“ spezialisiert sich auf Kindertorten: „Die Kinder wollen immer das Motiv der jeweiligen Zeichntrickcharaktere. Aber sie sind auch beim Geschmack wählerisch. Leute glauben ja oft, schöne Kuchen schmecken grässlich. Bei meinen müssen sie anerkennen, ich beherrsche beides, Form und Geschmack.“

Luk Yu Tea House, 24-26 Stanley Street, Central, Hongkong.

Temple Street Market, Temple Street, Mongkok, Hongkong.

Peking Dumplings, 5 Rua dos Mercadores, Shop A, an der Avenida Almeida Ribeiro, Macau.

Macau Restaurant, Traditional Macauense/Portuguese Food, hat fünf Ableger in Hongkong, u.a. im Shun Tak Centre, 200 Connaught Road, Hongkong Island, 6.30-00.00, oder Im Mezzanine Floor der Tsimshatsui Mansion, 83-97 Nathan Road, Kowloon, Hongkong.

Phoebes Designer Bakery, G/F, Aberdeen Street, Central, Hongkong, www.phoebes.com.hk

Mandarin Oriental Cake Shop, 5 Connaught Rd, Central, Hongkong, www.mandarinoriental.com

Saffron Bakery, Shop G20, Redhill Plaza, Tai Tam, 34 Hoi Kwong Street, Quarry Bay, Hongkong.

Anreise: Singapore Airlines fliegt zweimal täglich via Frankfurt nach Singapur und mehrfach täglich weiter nach Hongkong. Wer mit Singapore Airlines über Singapur hinaus zu einer weiteren Destination fliegt, kann ab 26 Euro pro Person im Doppelzimmer einen Stopover-Aufenthalt in Singapur einlegen. Informationen zum Stopover-Programm sowie Ticketbuchungen im Internet unter www.singaporeair.de, Hotline 0810/111213 oder in Reisebüros.